Wie Glücksbringer beflügeln
Früher, da musste es immer dieser eine Kugelschreiber für die Matheklausur sein und am besten lag die Formelsammlung in der Nacht davor noch unter dem Kopfkissen. Nur dann würde eine einigermaßen gute Note dabei herauskommen. Das allerdings mutet fast niedlich an, glaubt man einem Bericht des Branchenmagazins „Business Insider“. Der nämlich listet die skurrilsten Methoden von Wall-Street-Händlern auf. Einer soll über zwei Jahre das gleiche Mittagessen zu sich genommen haben, um auf dem Parkett erfolgreich zu sein, ein anderer scheute vor wichtigen Deals eine ganz bestimmte Toilette und ein anderer brachte stets einen aufblasbaren Godzilla mit, um „alle Bären wieder in ihre Höhlen zu scheuchen“.
Dem stehen Sportler jedoch in nichts nach. Warum auch? Schließlich braucht es Glücksbringer, Rituale und reichlich Maskottchen, wobei Letztere nicht immer glücklich gewählt sind, wie unlängst die Fußball-WM in Brasilien zeigte. Da nannte die Fifa das nicht für jeden Betrachter possierliche Gürteltier ausgerechnet Fuleco, eine Wortneuschöpfung, die Fußball und Ökologie verbinden sollte. Dumm nur, dass fuleco auf portugiesisch Arsch heißt.
Sei’s drum, die Kanzlerin hat es für Jogis Jungs und unsere ja irgendwie auch dann aber doch noch gerichtet – oder waren es die dunkelblauen Hemden des Trainerduos Löw/Flick? Wie auch immer, Angela Merkel gilt als der Glücksbringer für die deutsche Nationalmannschaft. Wo sie auftaucht, siegen unsere Kicker, und die lassen sich dann gerne noch mit ihr in der Kabine ablichten – aber das ist ein anderes Thema.
Nun kann unsere Kanzlerin ja nicht bei jedem sportlichen Groß- und auch Kleinereignis zugegen sein. Deswegen helfen zahlreiche Sportler und Trainer selbst ein wenig nach: mit dunkelblauen Hemden (Löw und Flick), neuen Frisuren, nicht rasierten Bärten oder einfach zu großen Schuhen. Manchmal ist es auch der Schluck aus der richtigen Trinkflasche oder der Laufschuh, der zwangsweise mit einem Doppelknoten am Fuß gesichert werden muss. Denn das steht außer Frage: Ein kleines Fünkchen Aberglaube und damit verbundene Rituale sind in jeder Sportart verbreitet. Auch wenn die Spleens bei den Fußballern möglicherweise am ausgeprägtesten sind, vielleicht sind sie auch nur am besten vermarktet.
Denn längst ist bekannt, dass auch andere Sportler ihre Sieger-Spleens pflegen. Profi-Golfer Tiger Woods etwa trägt am letzten Turniertag stets ein rotes Shirt. Der ehemalige Weltklasse-Basketballer Michael Jordan bestritt kein Spiel ohne seine Shorts der North Carolina University unter der Hose seiner Chicago Bulls. Und Formel-1-Pilot Sebastian Vettel wird niemals ein Formel-1-Rennen ohne seinen Glückspfennig starten, auch wenn er von sich behauptet, alles andere als abergläubig zu sein. Und doch ließe sich die Liste wohl endlos fortführen – für Sportler, Banker und Abiturienten.
Ebenso endlos ließen sich auch die nüchternen Gegenargumente aufzählen. Und doch erfüllen Rituale nicht nur einen wichtigen Zweck für die mentale Vorbereitung. Es ist doch immer auch ein schönes Gefühl, wenn man in wichtigen Momenten etwas Liebgewonnenes bei sich trägt – egal ob es die immer gleiche Unterhose, die Glückssocken oder der Kugelschreiber ist. Die haben im Zweifel zwar keinen Einfluss auf das Abschneiden bei Wettkampf, Klausur oder Businessdeal, aber man hat immerhin alles gegeben – und muss sich fürs nächste Mal vielleicht einfach noch ein wenig härter an sich arbeiten.
(wrw)